Vjosa forever! © Patagonia

Vjosa forever!

Ich will dir von der Schönheit eines Flusses erzählen und von den Gefahren dieser (verdammten) Dämme.

Eine Fahrradtour von Wien nach Albanien und wieder zurück mit unserem Maolinn vom Steppenwolf-Rudel.

Vjosa forever! © Maolinn

Die Philosophie

Fahrradfahren macht für mich Sinn. Mit 24 Jahren immer noch keinen Führerschein zu haben hat mich bis jetzt nicht eingeschränkt. Im Gegenteil, es hat mich dazu gebracht mit dem Fahrrad hier und da mal vorbeizuschauen und von einem gelegentlichen Abenteuer bin ich zu einer größeren Bewegung gekommen. Diese Bewegung heißt Umweltschutz. Mit dem Fahrrad kurz nach Albanien fahren und bei Protesten gegen den Bau von Wasserkraftwerken mitmachen war die Idee. Ob ich den kleinen Tropfen bewirken kann der, wie ja bekannt ist, das Fass zum Überlaufen bringt? Naja, ohne mich selbst zu überschätzen wollte ich ja nur dem Vjosa einen Besuch abstatten. Mit einem Banner der die Worte „Vjosa Forever“ und „Vjosa Nationalpark Now!“ trägt, fahre ich im stillen Protest durch die Länder.

Vjosa forever! © Maolinn
Vjosa forever! © Maolinn
Vjosa forever! © Maolinn
Vjosa forever! © Maolinn

Die Länder

Von Wien weg durch Österreich, von bekannten Gegenden zu unbekannten Ortschaften. Einen Tag durch Slowenien, wo ich unbedingt wieder hinwill. In Kroatien das Meer wieder gesehen zu haben hat mich riesig gefreut.

Sveti Stefan in Montenegro © Maolinn

Montenegro habe ich von seiner Küstenseite erlebt („Sveti Stefan“ im Bild oben), obwohl es mich auch ins Landesinnere gezogen hat. In Albanien wurde mir gleich warm ums Herz wegen den lieben Menschen und der wilden Natur. Mit einer Fähre von Albanien nach Italien und entlang der Küste an Venedig vorbei und im Kanaltal die italienischen Alpen durchquert auf einem vertrauten Weg nach Hause. Aka meiner Viennedig-Reise 2021 – bloß in die andere Richtung.

Vjosa forever! © Maolinn
Vjosa forever! © Maolinn

Der Fluss

Vjosa. Der letzte große Wildfluss Europas, außerhalb Russlands. „Wild“ bedeutet, es wurden noch keine Dämme (fertig-)gebaut oder andere künstliche Barrieren errichtet, die den Verlauf des Flusses lenken oder verändern würden.

Aufmerksam auf den Vjosa wurde ich durch die Kampagne „Vjosa Forever“ von Patagonia und den Film „Blue Heart – The Fight for Europes last wild Rivers“.

Ich bin Ende Sommer 2022 mit meinem Fahrrad losgefahren mit dem Ziel noch einmal die wahre Schönheit dieses wilden Flusses zu erleben. Zu der Zeit ist die Botschaft noch nicht zu allen durchgedrungen, dass der „Vjosa Nationalpark“ tatsächlich ein grünes Licht bekommen hat und ich war noch im Glauben, der Kampf um den Vjosa, sei noch im vollen Gange. Dieser Beschluss war aber noch nicht in Kraft getreten bis zum 15. März 2023, an dem Tag wurde der Fluss und einige dazugehörige Gebiete innerhalb Albaniens zum ersten Nationalpark seiner Art ernannt. Durch die Ernennung dieses Flusses zu einem Nationalpark ist „sie“ zur Königin Europas geworden.

Und „ihre“ Schönheit habe ich auch erlebt. Ich konnte drei Tage und drei Nächte im und bei dem Fluss verbringen. Da das Flussbett ein paar hundert Meter breit ist und bis zu zwei Kilometer breit sein kann aber die Wassermenge teilweise stark variiert, ist das Wasser nur eine dünne Ader, die sich durch das Flussbett zieht. Inmitten von Sand, Kies und Gatsch habe ich mein kleines Zelt aufgeschlagen und mir ein Bett gemacht. Der ununterbrochene Klang des plätschernden Wassers hat eine derartig beruhigende Wirkung auf mich und wenn man auch nur einige Stunden in der Nähe eines Flusses verbringt, überkommt einen die Ruhe in diesem ständigen Rauschen des Wassers. Sich in der Gegenwart eines reißenden Flusses aufzuhalten hat eine ganz spezielle Wirkung und berührt alle Sinne gleichzeitig. Die Luft riecht und schmeckt anders, der Wind geht mit dem Wasser mit und die Geräuschkulisse bringt dich in einen anderen Wahrnehmungszustand.

Vjosa forever! © Patagonia
Vjosa forever! © Maolinn
Steppenwolf-Autor Maolinn Kampichler

Die Dämme

Gedanken zu einem wilden Fluss, der geschützt werden muss.

Die Idee war ja diese: da ist ein Fluss so groß und mächtig, da steckt viel Kraft darin. Kraft die sich von selbst ergibt, die sich selbst erhält. Aus dieser wilden Energie springt sicher einiges davon über zu uns, dem Menschen. Wir müssen Sie nur irgendwie zähmen. Ein Versuch wurde gestartet dem Fluss einen Damm zu legen und mit diesem Wasserkraftwerk, Energie zu gewinnen. Das Wasserkraftwerk bei Kalivac in Albanien hätte somit als einzelne Hydro-Powerplant den gesamten Vjosa zerstört. Ohnehin wäre dieses Kraftwerk falsch angelegt, da der Vjosa nicht die erforderten Wasserressourcen hat, um eine nachhaltige Energiequelle zu sein. Im Jahr 2010 wurde durch Proteste der albanischen Bevölkerung der Bau dieses Kraftwerks eingestellt. Gut so.

Dieser Fluss gibt mehr Leben und Energie in „ihrer“ wilden und naturbelassenen Form. Vielerlei Synergien zwischen dem Fluss und ihrer Umgebung spielen bis heute noch eine wichtige Rolle. Wie die Hirten ihre Wege immer wieder zurück zum Flussufer finden, um ihre Ziegen und Schafe trinken zu lassen. Wie das Wasser die Landschaft tief in die Erde zu einem fruchtbaren und wertvollen Boden macht und wie es ein zu Hause für tausende gefährdete Lebewesen ist.

Vjosa forever! © Maolinn

Hydro-Powerplants sind eine der schädlichsten Arten der Energiegewinnung in Bezug auf die Umwelt und dem zufolge auf Menschen, Tiere und Pflanzen. Im Falle der Wasserkraftwerke ist es oft ein Irrglaube, sie seien eine erneuerbare und „grüne“ Form der Energiegewinnung. Hier wird viel „Greenwashing“ betrieben. Der in Albanien liegende Fluss Vjosa ist mitunter tausender anderer Flüsse in Gefahr den Dämmen zu verfallen. Die Lobby welche von solch riesigen Damm-Projekten profitiert hat in Europa fast alle Flüsse verbaut und plant noch mehr Dämme. Vor allem im Balkan- Bereich. Durch den ersten Wildfluss Nationalpark wurde der Vjosa von dieser Gefahr fast zur Gänze befreit. Fast, denn hier sei anzumerken, dass sich die geschützte Region des Parks nur auf die Fläche innerhalb des albanischen Staates bezieht.

Vjosa forever! © Maolinn
Vjosa forever! © Maolinn

Der Vjosa entspringt in Griechenland im Pindosgebirge östlich von Ioannina. Die Ernennung zum Nationalpark ist ein riesiger Schritt, und zwar einer in eine gute Richtung, dennoch ist es hier nicht zu Ende. Zum Beispiel sind im Mavrovo Nationalpark, welcher in Mazedonien liegt, 19 verschiedene Hydro-Powerplants an den Flüssen innerhalb des Parks geplant und dieser Nationalpark existiert schon seit 1949.

Wieso wurde dieser Nationalpark gegründet, wenn 19 verschiedene Dämme innerhalb des Parks geplant werden?

Viele Menschen denken sich, sie haben schon einen wilden Fluss gesehen. Dabei ist es so als haben sie nur ein „wildes Tier im Zoo“ betrachtet und es wurde ihnen weiß gemacht, es wäre wahrlich wild. Der Mensch hat die Welt schon so gewaltig verändert, dass wir wilde Tiere in den Zoo sperren, um nicht zu vergessen, was „Freiheit“ ist oder einmal war.

Vjosa forever! © Maolinn
Vjosa forever! © Maolinn

Die Reflexion

Ich habe meine Tour gemacht. Ich habe nicht die Unterschrift gegeben die einen Nationalpark erklärt. Ich habe nicht meinen Körper in den Weg gestellt, wenn die Polizei diesen räumen will, für Bagger und Trucks, die dazu da sind, Dämme zu bauen. Ich bin nicht bei wichtigen Protesten vor Ort gewesen.

Ich bin mit dem Fahrrad gefahren und habe einen Fluss besucht und ich habe ein Abenteuer erlebt. Ich habe mich aber auch mit der Entscheidung dorthin zu fahren in Verbindung gesetzt mit der Wichtigkeit auf dieses riesige Problem noch einmal mehr Licht zu werfen. Mit meinem kleinen Fahrradlicht. Wir haben alle ein kleines Licht zu Hause – oder zumindest einen kleinen Gedanken, welcher dazu beiträgt, die Natur und unsere Umwelt zu schützen, wertzuschätzen oder gar zu retten. Blenden wir die eh schon verblendeten Großkonzerne, um ihre Aufmerksamkeit zu lenken, sodass wir ihnen helfen, weg zu kommen von diesen falschen Ideen für unsere Zukunft.

Steppenwolf-Autor Maolinn Kampichler
Vjosa forever! © Maolinn
Vjosa forever! © Maolinn

Das Equipment

Mein Fahrrad „Draaht“, MSR Pocket Rocket 2 Gaskocher, MSR Trail Mini Solo Cookset, eine Bialetti, Nordisk Svalbard 1-Peronen-Zelt, Exped Lite +1 Schlafsack und Exped Synmat Winter Isomatte, Ortlieb Fahrradtaschen, Osprey Hydraulics Trinkblase an den Packelträger geschnallt, Solarpanel mit Akku, ein Chalkbag als Lenkertasche, Garmin Edge 530 Fahrrad-GPS.

Wichtig mitzuhaben waren unter anderen auch: extra Fahrradschläuche, extra Schaltzug bzw. Schaltdraht, eine Kappe die vor Sonne, Regen (vor allem als Brillenträger) und Staub schützt, Regenjacke und kauft euch für eine Fahrradtour unbedingt eine gute Regenhose (die groß genug ist), einen Bambusstock, der als Fahrradständer gedient hat und eine mentale Stütze für die Auseinandersetzung mit wilden Hunden war, Sonnencreme, eine Nagelschere, Zahnseide, Werkzeug (vor allem eine Zange), Superkleber und Duck Tape!

Meine Hände nachdem ich einen Kabelzug ausgetauscht habe weil er gerissen ist.

Meine Hände nachdem ich einen Kabelzug ausgetauscht habe weil er gerissen ist.

Steppenwolf-Autor Maolinn Kampichler

Ein Beitrag von Maolinn Kampichler

PS: Obwohl ich diese Reise alleine angetreten bin, war ich nur die Hälfte der Zeit auch wirklich alleine und habe mich nur an einem Tag auch wirklich alleine gefühlt. Ich habe Menschen kennen gelernt, andere Reisende und die Bewohner*innen einiger Teile dieser Welt. Mir ist das Gefühl gekommen stets von einer großen Familie umgeben zu sein. Alle Mitglieder machen, was sie immer machen und ich erlebe mittendrin mein Abenteuer

Vjosa forever! © Maolinn
Vjosa forever! © Maolinn
Vjosa forever! © Maolinn
Dammbaustelle im Fluss Fella © Maolinn

PPPS: Auf dem Rückweg über Italien bin ich durch das Kanaltal gefahren, in dem der Fluss Fella fließt. Da bin ich auf eine Baustelle für den Bau eines Staudammes gestoßen. Dieser Staudamm dient vor allem zur Regulierung von Hochwasser. Dennoch war es ein unschöner Anblick, der mir vor Augen führt, was aus einem Fluss wie dem wilden Vjosa werden könnte, wenn man diesen mit Dämmen verbauen würde

Dammbaustelle im Fluss Fella © Maolinn