
Pedale Richtung Osten – Eine Reise zu Bunica
Von Wien bis Timișoara – Maolinn allein mit dem Fahrrad oder, wie er sagen würde: Herausforderungen, Entscheidungen, Möglichkeiten.
Ein Versuch, bei dem es um mehr ging als nur um Kilometer.
Warum überhaupt losfahren?
Ich wollte es aus eigener Kraft schaffen, mich an einen Ort zu begeben, der sehr weit weg ist.
Mein Ziel: meine Großmutter (Bunica) in Rumänien. Der Weg dorthin? Unbekannt. Ich wollte es allein schaffen – mit dem Fahrrad, dem nötigsten Gepäck und dem Mut, loszufahren.
Meine Oma einfach mal so besuchen. Eine Reise über Ländergrenzen hinweg bis nach Timișoara in Rumänien. Dorthin, wo meine Mutter uns früher auf diese – für meine kindlichen Augen – unendlich lange Reise mitgenommen hat, um Familie und Freunde wiederzusehen. Zwanzig Jahre später – alleine mit dem Fahrrad. Um Bunica zu besuchen. Um mich selbst zu besuchen.

„Viennedig“ war der Start meiner Reiseträume – ein Wortspiel, das mir gefiel, als ich vor einigen Jahren Richtung Süden radelte. Aber diesmal ging es nach Osten. Gen Heimat, und doch ins Unbekannte. Mein Besuch einer Heimat, die ich jetzt wieder erkennen kann – bisher nur aus dem Auto meiner Mutter, jetzt auch vom Sattel meines eigenen Fahrrads.
«Wem einen Besuch abstatten – mit dem Fahrrad zu Bunica»
Mein Fahrrad, bepackt wie ein Lasttier, trug nicht nur Zelt und Kocher, sondern auch Zweifel und Hoffnungen. Ich wollte herausfinden, was es heißt, wirklich unterwegs zu sein. Die Welt mit eigener Kraft zu durchqueren – mit den Elementen im Nacken und dem Wind als einzigem ständigen Begleiter.
Einmal, an einem lauen Abend irgendwo in Ungarn, hing ich zwischen zwei Bäumen – in meiner Hängematte. Der Himmel war klar, das Gras duftete, und die Grillen sangen das Lied des Landes. Leichtigkeit.

Doch nicht das Wetter war mein größter Gegner.
Auch nicht der Gegenwind. Es war die Sprachlosigkeit. Am nächsten Tag schlug das Wetter um – Hagel, Windböen, kalte Wut. Da half nur das Zelt: ein Dach über dem Kopf, das mir schützend den Rücken stärkte.
Wie bittet man um Hilfe, wenn man keine Worte hat? Wie fragt man nach einem Platz für die Nacht? Mit Händen, Blicken, einem Lächeln – und einem ehrlichen Versuch, wenigstens „Hallo“ und „Danke“ in der richtigen Sprache zu sagen. Gastfreundschaft kennt oft kein Wörterbuch – sie ist ein Bauchgefühl.
Die Tage wurden zu einem langsamen Fluss. Jeder Tritt in die Pedale spannte einen roten Faden durch die Landschaft: holprige Wege, der Duft von Sonnenblumenfeldern, Schlaglöcher, knarrende Dorfpumpen, bellende Hunde. Und immer wieder: Menschen. Und obwohl wir nicht viel zu reden hatten, gaben mir die Begegnungen das Gefühl, nicht allein zu sein.

Der Weg war nicht einfach – aber er war echt. Und ich lernte: Wenn du langsam reist, wird die Welt größer. Reichhaltiger. Schöner.

An einem Nachmittag überquerte ich die Grenze nach Rumänien. Die Luft roch anders. Ein bisschen nach Zuhause. Bunica wartete. Als es zu dämmern begann und ich vor Omas Haus stand – verschwitzt, müde, mit Dreck an den Beinen – freuten wir uns beide. Den nächsten Tag verbrachten wir dann Domino spielend, Kuchen essend und in guter Gesellschaft im Garten von Freunden der Familie.
Zurückblickend weiß ich:
Diese Tour war kein Urlaub. Es war ein Versuch. Ein Versuch zu verstehen, was ich wirklich brauche. Welche Ausrüstung mich trägt. Welche Gedanken mich weiterbringen. Und wo mein Platz auf der Landkarte ist – mit dem Fahrrad, mit mir selbst. Manche Touren sind keine Flucht – sie sind eine Heimkehr.

Lagerleben: Zelt oder Hängematte?
Die Nächte auf Tour forderten Entscheidungen: Zelt oder Hängematte? Das Zelt gab mir mehr Geborgenheit – gerade bei Regen und Wind. Es war mein Rückzugsort, mein Dach über dem Kopf.
Die Hängematte dagegen war leichter, kleiner – ideal für laue Sommernächte. Vorausgesetzt, zwei Bäume stehen freundlich genug nebeneinander. Am Ende war es das Gefühl, das entschied – und das Wetter.

Tipp:
Übung macht den Aufbau bei Erschöpfung wesentlich einfacher – wer alle Details der Ausrüstung kennt kann situativ rascher entscheiden und sehr viel leichter Entspannung finden.

«Darf ich in deinem Garten schlafen?»
Das größte Hindernis: Sprache
Nicht der Gegenwind war mein größter Gegner, sondern die Sprachlosigkeit. Wie bittet man um einen sicheren Schlafplatz, wenn man kein Ungarisch oder Rumänisch spricht? Mit Händen? Füßen? Mit einer auswendig gelernten Frage?
„Aludhatok a kertedben?“
Einmal hat es funktioniert – aber nur, weil wir auf Englisch ausweichen konnten und ich erklären konnte, dass ich mit Zelt und Hängematte unterwegs bin und nur für eine Nacht diesen sicheren Quadratmeter Boden benötige.
Der Junge, der vor seinem Haus nur die Pflanzen gießen wollte, bot mir für diese Nacht genau das an – und noch mehr.
Er lebte im Haus seiner Eltern, die den Sommer über in der Stadt arbeiteten. Jeden Sommer war er auf sich allein gestellt, hatte einen Gemüsegarten zu pflegen und zu gießen – und hatte dennoch so viel zu geben.
Am Morgen machte er uns einen Kaffee und erzählte mir von sich.
«Was er da gesagt hat, werde ich nie vergessen.»

Sprachen lernen!
Nicht nur, um besser durchzukommen, sondern um echte Begegnungen zu ermöglichen. Denn echte Begegnungen sind der Reichtum jeder Reise. Ob es dieser kurze Austausch im Supermarkt ist oder ein langes, philosophisches Gespräch – Kommunikation ermöglicht Resonanz. Und das ist es, was Spuren hinterlässt.
Warum Fahrrad und nicht Auto?
Ein Auto bringt dich schnell – zu vielen Orten. Aber das Fahrrad verbindet dich mit dem Weg selbst. Du riechst, hörst, spürst das Land. Die Gastfreundschaft eines Dorfs, den Zustand der Straßen, den Geschmack des Windes. Es ist eine andere Art zu reisen. Langsamer.
Näher. Und weiter weg.
Denn es sind nicht die Kilometer, die mich von daheim an einen anderen Ort bringen. Es ist, wie nah ich diesen Ort an mich heranlasse.

Was bleibt am Ende?
Die Ankunft bei Bunica war mehr als ein Besuch. Es war der Moment, in dem alle Anstrengungen Sinn machten.
Ihre Freude, mein Staub im Gesicht – alles wurde plötzlich leicht.
Diese Reise war ein Versuch:
Der Versuch, mich auf mich selbst einzulassen. Und er ist geglückt.
Mein Setup – was sich bewährt hat
Zelt: Nordisk Svalbard 1 SV + Footprint
Hängematte: Ticket to the Moon Lightest Pro + Tatonka Tarp 4
Kocher: MSR PocketRocket 2
Topf: MSR Trail Mini Duo
Schlafsack: Exped Lite -1
Isomatte: Exped SynMat Winter
Rucksack: Osprey Syncro 12 mit Trinksystem
Zusätzlich hilfreich: Radhose mit Polster, Regenjacke & Regenhose, Lenkertaschen für Snacks.
Tipp: Der Rucksack mit Netzrücken war angenehm zu tragen – aber ein fest installiertes Trinksystem am Rad war für mich der eigentliche Gamechanger.
Fazit: Versuch das Versuchen
Eine solch ausgedehnte Fahrradtour ist kein Ausflug. Es ist ein Weg zu dir selbst. Du lernst nicht nur, wie du dein Zelt schneller aufbaust oder welchen Kocher du brauchst. Du lernst, wie du dich anpasst. Wie du Entscheidungen triffst. Und was du wirklich brauchst.
Ein Beitrag von Maolinn Kampichler.
Mit freundlicher Unterstützung von Michael Kölbl.
